Über einen Freund…

Beim Durchforsten meiner Fotos bin ich auf eine Geschichte in wenigen  Bildern gestoßen, die mir aber so am Herzen liegt, dass ich den blog nutzen möchte, um sie mal eben loszuwerden … einfach so…

Es geht um Yonas. Ich kenne ihn seit über vier Jahren. Er ist einer von den  vielen Menschen in unserem Ort, die unseren Umgang mit Fremdheit und Offenheit neu belebt haben. Die unser Verhältnis zu Frieden und Wohlstand ein bißchen gerade geklopft haben und uns als Bürger und Mitmenschen gefordert haben. Seit Ende 2014, als sie plötzlich da waren. Und blieben.
Yonas erhielt seinen Aufenthaltsstatus, absolvierte die geforderten Deutschkurse und fand einen Arbeitsplatz bei einem Gartenbauer, wo er sehr geschätzt wird, weil er stark ist, offen und freundlich. Er lebt bis heute in einer Gemeinschaftsunterkunft mit anderen Männern aus Eritrea, Syrien, Afghanistan.
Als Yonas aus seiner Heimat weglief, ließ er seine Frau Johanna zurück. Sie waren kurz zuvor verheiratet worden.  Johanna wollte nicht alleine in der Familie ihres Mannes bleiben, zwei Jahre nach Yonas verließ sie Eritrea ebenfalls heimlich. Sie ging nach Addis Abeba und blieb dort, um eine Vorladung in der deutschen Botschaft und damit den erlaubten Weg über den gesetzlich geregelten Familiennachzug nach Deutschland abzuwarten. Nach über einem Jahr war sie des Wartens alleine illegal in der Fremde überdrüssig und machte sich auf den Weg zu ihrem Mann. Ohne die benötigte Registrierung als seine Ehefrau.

Yonas schickte viel erarbeitetes und erliehenes Geld an Bekannte und Schlepper auf Johannas Weg. Johanna verschwand im Sudan und tauchte wieder auf, Johanna verschwand in Libyen und meldete sich Wochen später aus einem Versteck, harrte ein halbes Jahr aus, bis sie auf ein Boot kam. Sie erreichte Sizilien.
Nahe Catania saß sie sieben Monate in einem Flüchtlingslager fest, ohne Aus- und Einreiseerlaubnis nach Deutschland. In einem Zimmer mit einer Türe ohne Schloss. Yonas schickte Geld für Kleidung, Handy und Medikamente, flog hin, kam zurück, arbeitete, schickte Geld. Nach Monaten des Wartens, der Behördengänge bei Landratsamt, Asylberatung und Rotem Kreuz, nach Kontakt mit dem UNHCR, dem BAMF kam eines Tages eine kurze Nachricht aus Italien:
Tag, Uhrzeit, Ankunft am Flughafen München, Flug EW 1901 aus Catania
Einfach so.

Ein deutscher Flughafen ist nicht dafür gemacht, Menschen ohne Sprachkenntnisse ihren Koffer und den Weg nach außen finden zu lassen und die Menschen hinter den Türen sind anscheinend auch nicht gemacht, einer suchenden Frau ohne Sprachkenntnisse dabei zu helfen, aber auch diese Hürde hat Johanna schließlich genommen.

Und dann dann war sie da. Einfach so.

Mittlerweile ist Johanna ein halbes Jahr hier. Sie hat Yonas Papierchaos sortiert, kocht hervorragenden eritreischen Kaffee und hat das Zimmer in der Gemeinschaftsunterkunft ein bißchen hübscher gemacht. Ansonsten wartet sie, auf ihre Papiere und damit auf die Erlaubnis zu Deutschkurs und Arbeit. Bis dahin ist sie tagsüber meist alleine, denn Yonas arbeitet viel. Geld zurückzahlen und sparen auf eine Wohnung. Falls es je eine geben sollte. Wir leben einer privilegierten Gegend Oberbayerns, da sind günstige Wohnungen und Zimmer rar. Vor allem für Flüchtlinge.

Eine Antwort auf „Über einen Freund…“

  1. Hallo Bettina,
    Yonas und Johannas Geschichte hat mich besonders berührt. Vielleicht auch deshalb, weil unser Sohn aus Äthiopien kommt und ich selbst schon in der deutschen Botschaft in Addis war, um seine Papiere klar zu machen. Das weckt Erinnerungen.

    Deine gefühlvollen, zurückhaltenden Bilder unterstützen die Geschichte dezent, aber eindringlich, ohne sich in den Vordergrund zu drängen.

    Ich finde, das Netz braucht mehr solcher Geschichten und diese hätte es verdient, mehr Bekanntheit zu erlangen. Es gibt viel zu viel Hetze und die sog. Leitmedien tun das ihre, diese Stimmung weiter anzuheizen. Gerne werde ich mit Deiner Erlaubnis die Geschichte teilen und hoffe, viele andere tun das auch.

    liebe Grüße
    Jürgen

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